„Der ist nicht fremd, wer teilzunehmen weiß.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Im Landkreis Osterholz leben etwa 100 yezidische Familien.
In den 1980er und 1990er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen religiöser Verfolgung aus der Türkei, Syrien und dem Irak geflohen, ist ihnen heute eine weitest gehende Integration in die hiesige deutsche Gesellschaft gelungen.
Doch trägt diese Gemeinde auch ein schweres Erbe, musste sie doch in ihrer Geschichte stets gegen Verfolgung und Verachtung kämpfen. In ihren heimatlichen Gebieten durch Fundamentalisten als „Abtrünnige Gottes“ und „Volk des Satans“ diffamiert, konnten die Yeziden lange Zeit ihre antike Kultur nur im Verborgenen leben. Es entwickelte sich eine Art Geheimreligion, die nur unter großen Mühen bewahrt werden konnte.
Nach ihrer langen Leidensgeschichte lernten die Yeziden in der deutschen Diaspora das erste Mal Demokratie, Menschenrechte und Religionsfreiheit kennen. Nie zuvor konnten sie ihre Religion und Kultur frei ausleben; dafür sind sie bis heute sehr dankbar.
Gleichwohl sehen auch die Yeziden den schwierigen Problemen von Zuwanderung und Integration entgegen. Die Spannungen zwischen traditioneller Kultur der Vorfahren und moderner Gesellschaft heute lassen Alt wie Jung in eine Identitätskrise stürzen, die nicht selten zu Konflikten und Spannungen in der Gemeinschaft führt. Ein damit verbundenes falsches Verständnis von Religion und Kultur verhindert oftmals eine gelungene Integration.
In diesen Dialog des Spannungsverhältnisses zwischen „Tradition und Moderne“, „Identität und Anpassung“ möchte unsere Gemeinde mit ihrer Arbeit treten. Unser Ziel ist die Weitervermittlung der religiösen und kulturellen Inhalte sowie Werte und Bräuche und der yezidischen Gesellschaftsform in der Diaspora. Der Charakter der yezidischen Lebensform in weltanschaulicher wie auch in traditioneller Hinsicht soll unter Berücksichtigung der Bedingungen der aufgeklärten modernen Gesellschaft in Westeuropa aufrechterhalten bleiben. Den Yeziden soll eine Möglichkeit zur Fortführung und Vertiefung ihrer Kultur in Freiheit gegeben werden.
Wir möchten Aufklärung leisten und Ansprechpartner für die Probleme hierlebender Migranten sein und ein friedliches und vielfältiges Leben verschiedener Kulturen in unserem Landkreis möglich zu machen. Die Integration von Migranten und die gesellschaftliche Teilhabe benachteiligter Menschen möchten wir fördern. Mit unserem Engagement wollen wir den Weg für einen gleichberechtigten interkulturellen und interreligiösen Dialog ebnen. Denn nur im respektvollen Miteinander, so unser Credo, ist echte Integration möglich!
In einem alten Gebet der Yeziden, das ihr Verständnis von Toleranz und friedlichem Zusammenleben deutlich macht, heißt es hierzu:
„Lieber Gott, schütze zuerst die anderen 72 Völker, dann uns.“
In diesem Sinne freuen wir uns, einander kennen zu lernen!